Alt deutsches Dokument entziffern

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eribach
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Alt deutsches Dokument entziffern

Beitrag von eribach »

allo

Ich habe eine zwei seitige Schrift in der Alten deutschen Schrift gefunden, die ich nicht entziffern kann.

Diese Schrift kommt von meinem Grossvater, der Bauer in der Schweiz war. Es sieht eher als ein Vertrag aus als ein Brief.

Meine Grosseltern begannen auf einem geerbten, kleinen Bauerngrund im Welschland der Schweiz und haben dann auf immer grössere Bauernhöfe gewechselt (Glavalaire im Jura, dann Köniz bei Bern, dann Murten bei Bern, dann zuletzt Altreu, Selzach bei Solothurn). 1970 ist mein Grossvater verstorben, Grossmutter folgte ihm 6 Jahre später.
Es würde mich sehr freuen, wenn jemand mir helfen könnte, diese Schruft zu entziffern.
Mit freundlichem Gruss, Erich Bachmann, Philippinen
Anhang Vorderseite des Dokuments?
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eribach
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Alt deutsches Dokument entziffern2

Beitrag von eribach »

Rückseite?

Ich weiss, die 2 Dokumentseiten sind nicht leicht zu entziffern. Vielleicht kann man es mit der Lupeneinstellung entziffern.
Es ist eine nicht leichte Aufgabe, aber ich Spende gerne etwas.

Grüsse aus den Philippinen,

Erich Bachmann
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Chlodwig
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Beitrag von Chlodwig »

Hallo eribach,

willkommen im Ahnenblattforum. Schön, dass du dich gleich mit einer so interessanten Tätigkeit und einem nicht minder interessanten Schriftstück hier einbringst!

Da ich gleich los muss, konnte ich erstmal nur einen kurzen Blick darauf werfen: Wenn dies ein Vertrag ist, dann ein sehr kurzweiliger, denn der Titel heißt "Sommermädchen küsse...fusche lächel beichte"

Der Text scheint von einer echten Genießerin geschrieben worden zu sein und ist sehr fantasievoll.
Darin kommt an der "Murmelwieselgländergletscherquelle" ein "Augenblinzeljunggeselle" mit einem "Federbaumelriesenkrämpenhut" zur Autorin, legt ihr den "Eisenklammermuskelarm" um, vermittelt ihr "Schmiegeschmatzeschwelgehochgenuß" und der "Plauderglätscherquellenunbekannte" küßte wirklich "wetterbombenexquisit"!

Ich werde in den nächsten Tagen nochmal genauer drauf schauen.

Chlodwig
Gruß, Chlodwig
eribach
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Beitrag von eribach »

Danke für die erste Erläuterung.

Das wusste ich nicht, dass mein Grossvater es auch da "Dicke hinter den Ohren" hatte. Familienwurzeln gründen auch tief, wie ich erkennen muss.

Bitte Chlodwig,übersetze mir bitte beide Seiten Wort für Wort, wenn das geht. Ich bin sehr gespannt auf das Resultat. Ich weiss, das es auf Berndeutsch geschrieben ist. Wenn ich eine schriftdeutsche Übersetzung habe, kann ich sie dann so verberndeutschen, wie sich mein Grossvater im Dialekt ausdrückte, wenn das überhaupt noch nötig ist.
Ich weiss von meinem Grossvater und meiner Grossmutter her, dass man dazumal versuchte die Bärnermeitschi" und ihre Eltern mit überaus lustigen "Sprachverzierungen" zu beeindrucken und so gut Wetter zu machen,um in eine bessere Verhandlungsbasis zu kommen, wenn es ums Heiraten und die Aussteuer ging. Entweder hatte man einen Haufen "Bazeli"(Geld) ober eben unbändigen Humor, im Dialekt. Das Wibervolch (die Angebeteten) waren dabei auch beim Auftrumpfen äusserst geschickt, wenn der freiende Bursche in ihnen eine Feuerbrunscht erzeugte wenn Sie an ihn dachten.
Mein Grossvater schlief immer leicht bei offenem Fenster und wenn von über der Aare am Strand ein Pfiff ertönte, war er schnell in den Hosen, ruderte rüber und holte die jungen Trachtemeitschi, welche z'Tanz in Leuzigen waren ab und kassierte dafür gar manches zart's Müntschi zum Fränkl für seine gute Tat mit dem Ruderboot. Wenn eine das Velo dabei hatte, gab es 2 Längere. Er war ein "grüslige" Charmeur!
Grüsse aus Palawan, Erich (Eribach)
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Chlodwig
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Beitrag von Chlodwig »

Hallo Eribach,

während du schliefst,

habe ich aus Ungeduld diesen wundervollen Text sofort umgeschrieben. Die Schreiberin mit so einer blühenden Fantasie hätte ich gerne kennengelernt. Deine Großmutter war das wohl nicht? Jedenfalls war sie kein Kind von Traurigkeit. Auch die Berner scheinen ganz anders (gewesen?) zu sein, als die Sprichwörter Glauben machen. Warum glaubst du, dass der Text mit deinem Großvater zu tun hat?

Übrigens ist ein weiterer Grund, dass mich das Gedicht so interessiert der, dass ich Wurzeln im Bernischen habe- Thierachern, wenn dir das was sagt...

So, und hier ist das Meisterstück (nur an zwei Stellen muss ich passen):

Sommermädchenküsse(?)uschelächelbeichte

An der Murmelrieselplauderplätscherquelle
Saß ich sehnsuchtstränentröpfeltrauerbang;
Trat herzu ein Augenblinzeljunggeselle
In verweg’nem Hüfteschwingeschlendergang
Zog mit Schäkerehrfuhrchtsbittegrußverbeugung
Seinen Federbaumelriesenkrämpenhut-
Gleich verspürt’ ich Liebeszauberkeimeneigung,
War ihm zitterjubelschauderherzensgut!

Nahm er Platz mit Spitzbubglücketükekichern
Schlang um mich den Eisenklammermuskelarm;
Vor dem Griff, dem grausegruselsiegesichern
Wurde mir so zappelseligsiedewarm.
Und er rief: „Mein Zuckerschnuckelputzelkindchen
Welch ein Schmiegeschwatzeschwelgehochgenuß!“
Gab mir auf mein Schmachteschmollerosemündchen
Einen Schnurrbartstachelkitzelkosekuß.

Da durchfuhr mich Wonneloderflackerfeuer
Ach, das war so überwinderwundervoll....
Küßt’ ich selbst das Stachelkitzelungeheuer,
Sommersonnenrauschverwirrungsrasetoll!
Schilt nicht, Hüstelkeifewakeltrampeltante,
Wenn dein Nichtchen jetzt nicht knuineknirsche...iet (?)
denn der Plauderplätscherquellenunbekannte
küßte wirklich wetterbombenexquisit!


Der zweite Text ist ungleich schwieriger, denn er ist in Schwyzerdütsch (oder Bernisch?). Da muss ich länger dran arbeiten, aber vielleicht kommt noch Hilfe (vielleicht von unserem Schweizer hier) und wir kommen gemeinsam drauf. Bis jetzt habe ich folgendes:


s. neue Version weiter unten


Das sieht fast aus wie so eine Art Lügenmärchen, aber mal sehen, was noch kommt....

Schönen Tag noch in die Philippinen,

Chlodwig
Zuletzt geändert von Chlodwig am 22.04.2011, 07:51, insgesamt 2-mal geändert.
Gruß, Chlodwig
eribach
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Beitrag von eribach »

Hallo Chlodwig

Sa sind schlussendlich ja wirklich 2 "Perlentexte"!!

Dieser Text war, als ich als junger Bursche in Grossvaters Bauern- und gleichzeitig Gasthofsbetrieb "Gasthof zum grünen Affen" in Altreu, Selzach bei Soloturn den Estrich durchstöberte, in einer Holzschale mit Deckelverschluss und dabei hatte es Schreibzeug. Ich habe damals das Blatt mitgenommen, weil ich es entziffern wollte. Erst jetzt, seit meiner Pensionierung, finde ich Zeit und Musse mich darum zu kümmern. der gasthof zum Grünen affen ist noch heute ein begehrter Ausflugsziel. Er wurde umgebaut, der Stall wurde zum Speisesaal und das Storchenheim in Altreu ist nur 2 Steinwürfe hinter dem Gasthof.

Es kann auch sein, dass die Texte von Grossmuttersseite kommen, denn wenn ich mich heute erinnere, hatte mein Grossvater eher eine runde Schrift. Meine Grossmutter hatte deutsche Eltern (auch Bauern). Sie war etwa gar nicht prüde, denn wenn der Grossvater grollte, schickte sie die Magd mit einem Chacheli Kaffee in den Stall und beauftragte sie: *Gib im de no es Müntschi, de isch ds Unwätter verbi".
Ich habe aber meine Grossmutter nie schreiben sehen, eher der Grossvater.

Danke für deine tolle Arbeit. ich bin gespannt, was aus der 2. Geschichte noch alles herauskommt.

Grüsse aus Palawan mit himmelklarem Sonnenaufgang, Erich
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Chlodwig
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Beitrag von Chlodwig »

eribach hat geschrieben:ich bin gespannt, was aus der 2. Geschichte noch alles herauskommt.
Hallo Erich,

hier ist die neue Fassung, die noch mit einigen Fehlern behaftet sein wird. Der (Un-)Sinn, der dahinter steckt, ist sehr gut zu verstehen, aber bei einigen Wörtern bin ich mir nicht sicher, vielleicht kannst du sie noch "verberndeutschen":

Aeppis (?) us em Tierbuch.
Schwarze Schnee lit uf Feld und Wald. D’ Füchs möga nüme
singe u d’ Amsle nit meh hüln. Zwüsche büechige Tanne
flügt es wyßes Eichhörnli daher. Das fragt mi: Säget, Ma
cheut d’ Yhr mer säge, ob das der recht Weg isch für öpp (?)
hr? Frile, säge n - i, isch das der recht Weg. Dort obe chunt
de a schwarze Grisibaum; da geiht de rechter Hand links.
Merci, seit d’s Eichhörnli, u wär vor Lache bal büchlige
uf e Rügge g’falle. Vo witem g’horn - n - i no, daß es
zu me ne andere seit: Du, i glaube, das isch e Dütsche
Engländer mit e me schwedische Gopf. Y’rüefe - n - ihm no
nache: We d’ganz sicher sy wit, so chumm gester am
halbi vierzehni zue mer; i will der’s genau säge.
Witer äne ha – n – i a nere Bige drei Liter Holz. Da gange – n - i
gah luege, ob’s no da siy oder ob es vielleicht vo me ne ehrliche Schelm
siy g’rettet worde. Es ist nämlich am nächste Mäntig z’bern (?)
Zystig (?), da mäht is de ine füehre. Y chume here, u was mueß
i gse? Holz isch keis meh da. Aber ufem Platz, wo d’s Holz gsi
isch, liege zähe lederny Feufliber (?) und e Zettel, wo druf steit:
„Das isch d’s Holz. Wenn’s z’wenig isch, gib i d’r de am
wyße Thun- Gräje märit (?) no es guldigs Stüteli und es längs
Marteli der nahe“. So öppis isch mer nur (?) Sterbtig no nie vorcho.
Aber daheime säge – n – i nit dervo, süst meine si no, i seig
g’schweflet.


Hat Spaß gemacht :D
Chlodwig
Gruß, Chlodwig
EdeBorger

Beitrag von EdeBorger »

Das erste Gedicht stammt von Hanns von Gumppenberg. Siehe auch hier:

http://de.wikisource.org/wiki/Sommerm%C ... helbeichte
oma

Beitrag von oma »

Dazu kann ich dann nur noch sagen:

Hallo CousinChlodwig,

für die bereits eingestellte "Übersetzung" hast du meine vollste Bewunderung !! :up:
Deine Lesekenntnisse sind nicht zu überbieten.
eribach
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Beitrag von eribach »

Super recherchiert, EdeBorger Danke!

Nun wissen wir auch noch den Urheber.

http://de.wikisource.org/wiki/Otto_Julius_Bierbaum

Zu dieser Zeit kannte man noch keine Kopierer und PCs.

Da hat wohl mein Grossvater das Gedicht abgeschrieben oder bereits auf Papier erhalten. Das traue ich ihm zu. Er war zwischendurch immer was am Kritzeln.

Lieber Chlodwig, herzlichen Dank für Deine Arbeit. Das war sehr schnell und Spitze!!!

Ob das andere Geschicht wohl auch von Otto Julius Bierbaum stammt? Höchst wahrscheinlich nicht. Es ist im Schweizerdialekt geschrieben. Doch vielleicht finden wir es noch heraus.

Noch einmal herzlichen Dank. Das war ja so abenteuerlich wie hier im Regenwald Schlangen suchen und/oder zu begegnen.

Grüsse aus dem abendlichluftigendochfieberwarmen Palawan (scheint ansteckend zu sein),

Erich
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Chlodwig
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Beitrag von Chlodwig »

eribach hat geschrieben:Super recherchiert, EdeBorger
Richtig. Da hätte ich mit ein bißchen googeln Zeit sparen können, aber wie du schon sagst, das war ja so abenteuerlich wie im Regenwald Schlangen suchen und vor allem äußerst amüsant und spannend, das alles Wort für Wort herauszufinden, also jede Minute wert!
eribach hat geschrieben: Da hat wohl mein Grossvater das Gedicht abgeschrieben oder bereits auf Papier erhalten.
Deiner Großmutter traust du das immer noch nicht zu?
oma hat geschrieben: :up:
Danke, cous-oma!
Und schöne Ostern,
Chlodwig
Gruß, Chlodwig
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