Seite 1 von 1

Lesehilfe gesucht

Verfasst: 26.07.2015, 10:42
von tumsdick
Guten Tag zusammen,

auf der Suche nach den Eltern meiner Großeltern stoße ich bei meiner Großmutter gerade an richtige Grenzen. In der Heiratsurkunde meiner Großeltern aus dem Jahr 1944 sind beim Großvater beide Eltern eingetragen. Bei meiner Großmutter ist jedoch nur ihre Mutter eingetragen (siehe Anlage).
Ich würde entziffern: "Anna Gertrud ...?... Hack, geborene Kannewurf in Leipzig...?..."
Was bedeutet das Wort zwischen Gertrud und Hack (eventuell "geschiedene"?) und wie ist der Zusatz nach Leipzig?
Zudem würde mich interessieren, weshalb kein Vater eingetragen ist. Ist es möglich, dass er zum Zeitpunkt der Heirat schon verstorben war? Aber deshalb hätte man ihn doch nicht weggelassen, oder doch? Oder war Kannewurf gar ein jüdischer Name, könnte es damit zu tun haben?

Ich bedanke mich schon jetzt für die Mühe, meine Fragen zu beantworten oder mir Hilfestellungen und Hinweise zu geben.

Vielen Dank,
Thomas

Verfasst: 26.07.2015, 11:45
von Ahrweiler
Hallo Thomas
Anna Gertrud geschiedene Hack geborene Kannenwurf in Leipzig-Großzsch?her-Mindorf.Den Buchstaben nach dem "sch"kann ich leider nicht deuten.
Liebe Grüße
Franz Josef

Verfasst: 26.07.2015, 11:59
von Marcus
Der Onkel Google vermutet ganz stark "Leipzig-Großzschocher-Windorf". Aber ganz ohne Lesekenntnisse meinerseits, ob das auch in der Schrift passt. ;)
Marcus

Verfasst: 26.07.2015, 18:27
von Tino
Hallo,

Marcus war schneller. Es heißt tatsächlich Anna Gertrud gesch.(iedene) Hack geborene Kannewurf in Leipzig-Großzschocher-Windorf.

Großzschocher und Windorf sind beides ursprünglich eigene Dörfer, welche als gemeinsamer Stadtteil eingemeindet worden sind.

Ciao Tino

Bearbeitung: "r" ergänzt bei Gertrud
Bearbeitung: "s" ergänzt bei Großzschocher

Verfasst: 26.07.2015, 20:21
von tumsdick
Vielen Dank Euch allen für Eure schnelle Hilfe! Und das gleich bei meinem ersten Posting :thanks:

Dann interpretiere ich das mal so, dass meine Großmutter zur Welt kam, als ihre Mutter bereits geschieden war.
Gehört zwar nicht mehr zum Thema: Aber war das damals noch heikel oder schon "nicht mehr ganz so schlimm", zumal in einer Großstadt? Und wenn es nichteheliche Kinder gab, konnten die Väter die Vaterschaft dann so wie heute einfach beim Standesamt oder Jugendamt anerkennen? (Falls es schon Jugendämter gab, klar.)

Verfasst: 26.07.2015, 21:43
von Tino
Hallo,

nach meiner Erfahrung nahm die Zahl der Ehescheidungen erst vom Zeitpunkt des ausgehenden 19. Jh. an zu, war also zum Zeitpunkt 1944 schon als "normal" zu bezeichnen. Es gab zwar auch schon zu Zeiten des 16./17./18 Jh. Scheidungen, jedoch waren diese sehr selten und kamen nur zum Tragen bei extremen bzw. existenzbedrohenden Problemen zwischen den Ehepartnerm (z.B. Ehebruch, Unfruchtbarkeit eines Partners usw.)
Prinzipiell waren aber zu diesen Zeiten Ehen fast immer Bünde fürs Leben, da nicht nur Lust und Liebe, sondern nicht zuletzt knallharte ökonmische Interessen der beteiligten Familien dahinterstanden (Clanhochzeiten). Nicht nur der Adel, vor allem auch Bauerngeschlechter in vielen Regionen versuchten auf diese Weise den Wohlstand und Besitz ihrer jeweiligen Familien über Generationen hinweg zu erhalten bzw. zu mehren. Schon frühzeitig wurden je Sohn und Tochter zweier Familien einander versprochen, die Höhe der Mitgift abgesprochen usw.
Dazu kam außerdem der gesellschaftliche Umstand, daß die Frau dem Mann im Stande unterlegen war, d.h. die Ausführung von Rechtsgeschäften, das Kaufen und Verkaufen von Besitz war für diese weit schwieriger als für den Mann. Eine rechtliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau gab es nicht. Eine unverheiratete Frau bzw. Wittwe war ohne Ernährer somit in Ihrer Existenz bedroht und von daher bestrebt sich wieder zu verheiraten. Erst mit dem Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus bzw. beim Beginn der industriellen Revolution änderten sich die Verhältnisse. Frauen wie Männer wurden freie Lohnarbeiter im Kapitalismus und durch die beginnende Emanzipation (zuerst in Großbritannien) erhielten Frauen gleiche Rechte wie Männer (z.B. Wahlrecht usw.), wodurch Frauen, vor allen in Städten, unabhängig wurden und sich Scheidungen "ökonomisch" leisten konnten.

Der von dir eingestellte Fotoauszug sieht aus wie aus einem Einheitsfamilienbuch des deutschen Reiches nach 1933. Dort sind zwar die Informationen aus den Originalurkunden Geburt / Trauung / Tod vermerkt, aber es sind nicht die Originalunterlagen. D.h., auch wenn es in diesem Familienbuch keinen Eintrag über den leiblichen Vater gibt, heißt das nicht, das dieser auch in der Originalurkunde fehlt. Ich würde beim Standesamt Leipzig Kopien der Originalurkunden abfordern.

Zur Problematik der Anerkennung der Vaterschaft lt. BGB des deutschen Reiches in der Fassung vom 01.01.1900 siehe Anhang...

Ciao Tino

Bearbeitung: 2 x Rechtschreibfehler beseitigt

Verfasst: 26.07.2015, 22:07
von tumsdick
Hallo Tino,

wow, vielen Dank für diese ausführliche Extrainformation. Das ist sehr interessant und für mich einer der Gründe für diese Forschung nach Ahnen. Spannend wirds immer dann, wenn bei Einträgen aus dem 17. Jahrhundert die Berufe erfasst sind (Köhler, Häusler, Bergmann...). Ich werde mich wieder melden, falls ich vom Standesamt Leipzig was erfahre.

Vielen Dank,
Thomas